Rechtliche Aspekte und Grundlagen

Der nachfolgende Text stammt aus der Broschüre „Schwalben am Gebäude – was tun? Ein Ratgeber für Eigentümer, Planer, Architekten, Bauherren, Handwerker, Behördenvertreter und Naturinteressierte“, welche vom Verein Naturpark Lüneburger Heide e.V. herausgegeben wurde. Oliver Wegener, Fa. AGROFOR, ist Mitverfasser der Texte.
Mehl- und Rauchschwalben sowie Mauersegler sind nach der Europäischen Vogelschutzrichtlinie (79/409/EWG von 1979) geschützte Arten und sollen durch die Umsetzung der Naturschutzgesetze des Bundes (§ 39 und § 44 Naturschutzgesetz) und der Länder in ihren Beständen erhalten werden: Demnach ist es verboten, die Tiere „mutwillig zu beunruhigen oder ohne vernünftigen Grund zu fangen, zu verletzen oder zu töten“ sowie „ohne vernünftigen Grund Lebensstätten wildlebender Tier- und Pflanzenarten zu beeinträchtigen oder zu zerstören“. Die Unteren Naturschutzbehörden (UNB) sind verpflichtet, entsprechende Verstöße gegen Bundesnaturschutzgesetz und Bundesartenschutzverordnung zu unterbinden bzw. zu ahnden.
Das Entfernen oder Abschlagen von Schwalben- oder Seglernestern ist eine Ordnungswidrigkeit. Die Entfernung von Nestern während der Brutzeit ist zudem ein Straftatbestand gemäß Tierschutzgesetz und kann mit bis zu 50.000 Euro Strafe geahndet werden. Auch darf den Tieren der Zugang zu ihren Nist- und Schlafplätzen nicht versperrt werden – beispielsweise durch Baugerüste oder Sicherungsnetze.
Sind solche Maßnahmen unvermeidbar, so bedarf es einer Ausnahmegenehmigung der UNB. Gemäß § 67 Bundesnaturschutzgesetz können zu den in § 39 und § 44 genannten Verboten begründete Ausnahmen durch die Unteren Naturschutzbehörden zugelassen werden. Die Einhaltung von Naturschutzgesetzen ist auch für Eigentümer erforderlich, da das Grundgesetz zur Einhaltung gesetzlicher Grundlagen (sogenannte Sozialpflichtigkeit des Eigentums, Artikel 14) verpflichtet und zudem 1994 der Umweltschutz als Staatszielbestimmung in Artikel 20a aufgenommen wurde.
Bauherren und Handwerker sollten daher die Gebäude vor Beginn von Bauarbeiten sorgfältig untersuchen bzw. untersuchen lassen, ob beispielsweise Gebäudebrüter oder Fledermäuse von den Bauaktivitäten betroffen sind und entsprechende Maßnahmen einleiten bzw. das Vorhaben verschieben. Das Naturschutzrecht schreibt diese Vorabprüfung vor. Naturnester können von Oktober bis März, also nach bzw. vor der Brutzeit, vom Haus entfernt werden, wenn diese dann „1 zu 1“ für die nächste Brutsaison durch Kunstnester ersetzt werden. Wenn das Abschlagen von Naturnestern während der Brutzeit erfolgt, liegt ein Straftatbestand vor. Das Aufstellen eines Schwalbenhauses oder ähnliche Artenschutzmaßnahmen in der Umgebung rechtfertigen gleichwohl das Abschlagen der Nester im Nachhinein nicht. Deshalb sollten alle Maßnahmen im Vorfeld mit den Behörden abgestimmt und im Bedarfsfall eine Genehmigung eingeholt werden.

Fallbeispiele

Was tun bei Gerüst- und Malerarbeiten während der Brutsaison, Jungvögel im Nest?
Diese Arbeiten sind zwar zulassungsfreie Gebäudesanierungen und keine Vorhaben im Sinne des § 44, Absatz 5 Bundesnaturschutzgesetz. Dennoch sind artenschutzrechtliche Bestimmungen unbedingt einzuhalten.

Zunächst muss geprüft werden, ob eine lokale Population bzw. Populationen durch die Maßnahme erheblich beeinträchtigt wird bzw. werden. Der Anflug von belegten Nestern muss sichergestellt sein und darf nicht behindert werden (vergleiche auch Tierschutzgesetz). Ist dies nicht möglich, so sind bei der Durchführungsplanung die Arbeiten in einen Zeitraum außerhalb der Brut- und Nistzeit zu verschieben. Bereits begonnene Arbeiten sind – gegebenenfalls nur für den betroffenen Gebäudeteil – unverzüglich einzustellen und die Arbeiten ebenfalls in einen Zeitraum außerhalb der Brut- und Nistzeit zu verschieben. Auch störende Arbeiten im direkten Nestumfeld sind zu vermeiden, da sonst die Gefahr besteht, dass die Brut aufgegeben wird und die Jungvögel verhungern.
Gebäudesanierung im Winter bzw. außerhalb der Brut- und Nistzeit
  • Leere Nester sind Fortpflanzungsstätten im Sinne von § 44, Absatz 1, Ziffer 3, Bundesnaturschutzgesetz. Hier gilt das Beschädigungsverbot.
  • In Ausnahmefällen ist eine Befreiung nach § 67 Bundesnaturschutzgesetz möglich, wenn die Nester eine „unzumutbare Belastung“ sind.
Diese Genehmigungen müssen bei den Unteren Naturschutzbehörden der Landkreise beantragt werden. Häufig werden diese mit Nebenbestimmungen erteilt.
Nebenbestimmungen einer Genehmigung können beispielsweise sein:
  • Verwendung von Wandfarbe ohne Lotuseffekt. Durch die Veränderung der Oberflächenspannung, den Lotuseffekt, würde sonst das Anhaften des Nistmaterials verhindert.
  • Anbringen von Kunstnestern nach der Haussanierung
  • Einbau von Quartieren in die Fassade oder den Dachüberstand, beispielsweise für Mauersegler und Fledermäuse.
  • Errichtung eines Schwalben- oder Mauerseglerhauses.
Unter bestimmten Umständen sind Artenhilfsprogramme in Kooperation mit den Naturschutzbehörden, Naturparken oder Naturschutzverbänden sinnvoll. Bestandsschützende Maßnahmen, wie

der zusätzliche An- und Einbau von künstlichen Nisthilfen, sind vor

allem dann erfolgreich, wenn sie mit einer Sicherung und gegebenenfalls Verbesserung umliegender Nahrungsbiotope einhergehen.

Bau- und Brutzeitkalender

Möglichkeit A:

Brut- und Lebensstätten können bestehen bleiben:
Die Arbeiten am Bau müssen so koordiniert werden, dass beispielsweise die Vögel ihre Brut beenden können, bevor dieser Gebäudeteil saniert wird. Störungen müssen vermieden werden.

Wenn die Arbeiten nicht verschiebbar sind, ist ein freier An-/Abflug bzw. ein freier Zugang für die betroffenen Arten sicherzustellen. Während der Bauarbeiten sind Störungen im höchstmöglichen Umfang zu vermeiden.

Im Einzelfall können temporäre Ersatzmaßnahmen geschaffen werden, indem beispielsweise Kunstnester an das Gerüst gebaut werden und nach Abschluss der Arbeiten die Nutzung des ursprünglichen Bereiches wieder zugelassen wird. Für diesen Fall ist eine Genehmigung erforderlich. Eine Rücksprache mit der zuständigen Unteren Naturschutzbehörde wird daher empfohlen!

Möglichkeit B:

Brut- und Lebensstätten können nicht bestehen bleiben:
Erforderliche Maßnahmen sind im Vorfeld mit der Unteren Naturschutzbehörde abzustimmen und die erforderlichen Genehmigungen einzuholen! Die Tiere sollten möglichst vor der Baumaßnahme in Ersatzquartiere umgesiedelt werden bzw. diese den Tieren bereitgestellt werden. Die Arbeiten am Bau sollten so koordiniert werden, dass beispielsweise die Vögel ihre Brut beenden können, bevor dieser Gebäudeteil saniert wird. Störungen müssen vermieden werden. Im Einzelfall können temporäre Ersatzmaßnahmen geschaffen werden, zum Beispiel durch den Anbau von Kunstnestern an das Gerüst, und danach Ersatzmaßnahmen bereitgestellt werden.

Im Notfall können die Tiere während der Baumaßnahme umgesiedelt werden. Hierzu müssen zwingend erfahrene Sachverständige und die zuständige Untere Naturschutzbehörde hinzugezogen werden.